Bau einer Brücke über die Lippe

von Ludwig Pago

Holzbrücke

Kostenanschlag zur Erbauung einer hölzernen Joch-Brücke über die Lippe in einer Weite von 110 Fuß mit massiven Stirnmauern und den nötigen Eisböcken vom
6. Februar 1826

(Entwurf u. Massenberechnung von Zimmermann zu Werne)

 

Technische Daten

Diese Brücke wird 18 Fuß in der Fahrbahnbreite, und von 3 Mitteljochen unterstützt, welche aus zwei Pfahlreihen, jede zu 11 Stück Pfählen besteht, der Grund ist sehr fest und die Flussgeschwindigkeit bei Eisgängen 4 bis 5 Fuß.

Die Gewerke bestehen aus:  

  • Erdarbeiten                zu  224  Rth.
  • Mauerarbeiten            „   1391  „    
  • Steinhauerarbeit        „     320  „
  • Holzmaterial               „  2515  „
  • Zimmerarbeit             „     609  „
  • Schmiedearbeit          „     340  „
  • Sonstiges                    „     480  „

im Nachtrag in einigen Positionen bereinigt, somit
                     Endsumme:    5.411  Rth


Den Mühen des Planverfassers war vorerst kein Erfolg beschieden. Der Freiherr von Twickel zu Münster, der Inhaber der Fähr-Gerechtigkeit war, bat die hochlöbliche Regierung mit Schreiben vom 28. August 1835, den erhaltenen Befehl zur Erbauung einer hölzernen Brücke ergebenst zurückzustellen.

Zur Begründung führte er an:

Für die mir zustehende Fähranstalt kann ich selbe nicht ohne eine Entschädigung von vier Tausend Thalern und die freie Überfahrt für mich und Bewohner von Vogelsang und Rauschenburg mit ihren Pferden und Bestialien abstehen.


Steinbrücke

Amtmann Strietholt regt den Bau einer Brücke zu Rauschenburg an  

Sein Bericht vom 4. Juni 1856:

Ich habe in Erfahrung gebracht, dass in Folge der im März d.J. von dem Bauinspektor von Alemann vorgenommenen Untersuchung der Fährponte zu Rauschenburg, wonach dieselbe zu klein und zu leicht befunden ist, der Freiherr von Twickel polizeilich angehalten werden sollte, an Stelle derselben eine neue, pp. 200 Zentner Belastungsfähigkeit habende Ponte herzustellen. Sollte dieses sich bestätigen, dann kann ich nicht umhin, dem Königlichen Landratsamte vor Ausführung dieser Maßregel folgendes gehorsamst vorzustellen:  
           

Bekanntlich wird die hiesige Chaussee mit häufig von den mit schweren Lipphölzern, sowie mit Grubenholz und mit Getreide zum und vom hiesigen Wochenmarkte schwer beladenen, oft mit 4 bis 6 Pferden bespannten Frachtwagen passiert. Wird auch die neue Ponte errichtet, so möchte ich doch bezweifeln, dass diese Wagen mit ihrer Fracht und den Pferden auf einmal aufladen können, und so bleiben noch immer in einzelnen Fällen vor dem Hineinfahren in die Ponte entweder einige Pferde auszuspannen oder ein Teil der Fracht abzuwerfen und nachzuholen.

Es würde dann die Fuhrleute außer dem dadurch entstehenden Aufenthalt auch noch eine nicht unbedeutende Ausgabe für Arbeitskräfte zum Ab- und Wiederaufladen des bei der 2. Trajectio [Überfahrt] nachgeholten Teils der Fracht entstehen, mithin die Ponte immer nur ein Notbehelf sein, und bis zu einigen Zeiten bleiben.

Das große Opfer, welches die im Chausseetroitus [Einzugsbereich] liegenden Gemeinden für den Chausseebau gebracht haben, und würde dann auch nur wenig gelohnt sein. Nimmt man nun an, dass, wie ich von sachkundigen Leuten gehört habe, eine neue Ponte von der gedachten Belastungsfähigkeit ca. 800 Rth., und der Bau nach dem im Mai 1853 vom Bauinspektor Dykhoff aufgestellten Kosten-Anschlag dem Freih. von Twickel, welcher die Steine von der alten [Burg-]Ruine des Gutes Rauschenburg dazu adhibieren kann, auch das erforderliche Holz in dem auf Rauschenburg stehenden dicken hochstämmigen Bäumen besitzt, nur kosten würde:

 

                       a) an Erdarbeit                                         218 Rth. -  14 Sgr.   -  2 d

                       b) an Maurerarbeit                                   418 Rth.  -  24 Sgr.  -  8 d

                       c) an Zimmerarbeit                                1812 Rth.  -  20 Sgr.  -  8 d

                      d) an Schmiedearbeit
                           mit Material                                       1238 Rth.  -  11 Sgr.  -  0 d

                      e) an Anstreicherarbeit                               342 Rth.  -   28 Sgr.  -  4 d

                                         in Summa:                            231 Rth.  -     9 Sgr.  -  5 d

 

Hiervon wären abzuziehen:

              die Kosten für die neue Ponte mit              800 Rth.

             sowie der Wert der jetzigen Ponte

             mit Zubehör mit ca.                                  200 Rth.
                                            zusammen:             1.000 Rth.

                      So würde der Freiherr von Twickel für

                      eine Ausgabe von etwa                         3.231 Rth. 

(...) die Brücke bauen können.

Ich glaube verbürgen zu können, dass nach der Erbauung einer Brücke die Münster-Castroper-Chaussee, welche jetzt von allen den Fuhrwerken, die nur eben auf einer anderen Chaussee mit einem Umwege ihren Zielort erreichen können, wegen der lästigen Ponte vermeiden wird, viel frequenter [stärker beansprucht] werden und daher auch die Brückengeld-Einnahme viel größer sein wird, als die jetzige Fährgeld-Einnahme. 

 

Mit Rücksicht hierauf und weiter darauf, dass die Brückengeld-Erhebung durch einen Knaben füglich bewirkt werden kann, während jetzt die Überfahrt durch mindestens 2 Schiffsknechte geschehen muß, ist es sehr wahrscheinlich, dass eine Verpachtung der Brückengeldhebestelle mit den zu dem Fährhause gehörigen Ländereien und in Verbindung mit der Schenkwirtschaft dem Freiherrn von Twickel sicherlich jährlich 120 Rth. mehr als die jetzige Fähre an Pacht und dadurch die 4%igen Zinsen von dem Baukapitale einbringen wird.

 

Hiernach dürfte einleuchten, dass der Freiherr von Twickel, ohne eigentlich ein Opfer zu bringen, den für die von der Münster-Castroper Chaussee berührten Gemeinden so sehr nützlichen Brückenbau zur Ausführung fördern kann, und meine eben so gehorsam als dringende Bitte gerechtfertigt erscheinen:

 

      den Freiherrn von Twickel geneigtest zu dem Brückenbau bewegen zu wollen.

gez. Strietholt, Amtmann



Das Projekt 'Lippebrücke Rauschenburg' rückt näher 


In einer vom Amtmann Strietholt anberaumten gemeinsamen Sitzung von Stadt und Kirchspiel Olfen am 7. Februar 1867 wird im Beisein von vier Vertretern der Stadt Lüdinghausen und des Amtmanns Wiesmann von Datteln beschlossen:


Die Gemeinden Stadt und Kirchspiel Olfen, ferner Stadt und Kirchspiel Lüdinghausen und endlich Datteln erklären sich bereit, den Bau einer hölzernen Brücke mit massiven Stirnmauern zu übernehmen und je zu 1/3 die Kosten dafür herzugeben, machten diese Offerte jedoch von folgenden Bedingungen abhängig:

  1. dass der Staat einen Zuschuß von mindestens 8.000 Reichstalern bewilligt,
  2. dass die Kreisstände von Lüdinghausen zu 2/3 und von Recklinghausen zu 1/3 die zu Zinsen zu 4% von dem Bau-Kapitale sowohl, als auch von den Kosten der Unterhaltung der Brücke in der Weise garantieren, dass selbige sich verpflichten, diese Kosten aus der Kreiskasse zu decken, soweit zur Berichtigung derselben die Einnahmen an Brückengeld nicht ausreichen sollten,
  3. dass der Betrag, der dem Freiherrn von Twickel etwa im Wege eines Prozesses zuzubilligenden Entschädigung für Entwertung der Fähre, sowie im Subcumbenzfalle der Gemeinden der Prozesskosten selbst von den gesamten Gemeinden nach dem sub 2. stipulieren Verhältnisse getragen resp. die Zinsen davon zu 4% gleichfalls vom Kreistage garantiert würden,
  4. dass beim Königl. Ministerium die Genehmigung einer Abgaben-Erhebung für Fußgänger, welche die Brücke passieren, in Antrag zu bringen sei, weil solche Einnahmen auf die Rentabilität des Unternehmens bei dem großen Verkehr des Münsterlandes und dem Bergischen zu sehr influiren würde.
  5. Die Herren von Lüdinghausen und Datteln behielten sich die Beibringung der zuständigen Erklärungen der resp. Gemeinde Vertretungen vor.

Die Unterschriften der Stadtverordneten von Olfen:

Sulzer, Salomon, Himmelmann, Lackmann, Vahle, Hölscher

Der Gemeindeverordneten Kirchspiel Olfen:

von Bodelschwingh Plettenberg, Ostrop, Sch. Hagen, Stork, Hölper, Langenesch, Wilmsmann, Bergmann, Budde


für beide Gemeinden:

Strietholt

 

Die Amtmänner Hülskötter und Wiesmann erhielten beglaubigte Abschriften zugefertigt.

 

Mit Schreiben vom 27. April 1867 wurden die Kreise Recklinghausen und Lüdinghausen über die gemeinsam gefassten Beschlüsse unterrichtet.

 

Folgende Zusagen einer Kostenbeteiligung lagen damit vor:

  • Amt Olfen 1/3,
  • Gemeinde Datteln 1/3,
  • Gemeinden Lüdinghausen je 2.000 Rth.,
  • Freiherr von Bodelschwingh Plettenberg 3.000 Rth.


Landrat von Landsberg teilt dem Amt Olfen mit Verfügung vom 3. August 1867 mit, dass sich die Landstände nun über den Ausbau der Brücke über die Lippe bei Rauschenburg ein Bild machen wollen.

 

Die Königliche Regierung habe wiederholt auf den Bau einer massiven Brücke gedrungen. Es bedarf eines Kostenanschlages seitens der betreffenden Gemeinde.

 

Auf Anfrage teilt der Amtmann von Werne seinem Kollegen in Olfen seine Erfahrungen beim Bau einer Lippebrücke mit. Der Mangel einer Brücke habe dort den Chaussee-Verkehr stark beeinträchtigt. Auf die Kreise sei nicht unbedingt Verlass, es bleibe nur übrig, dass die zunächst beteiligten Gemeinden Olfen und Datteln sich selbst zum Bauen entschlössen.

 

Der Abgeordnete Windthorst im Preußischen Landtag in Berlin regt eine Petition der beteiligten Gemeinden an, die er vor Ort tatkräftig unterstützen werde. Er bittet Strietholt um Zusendung der Akte, um sich informieren zu können.

 

Sein persönlicher Rat:

Jedenfalls erfordert die Wichtigkeit der Sache, kein Mittel unversucht zu lassen und die damit verbundene Mühe nicht zu scheuen.

 

Landrat von Reitzenstein, Recklinghausen, teilt unterm 20. Oktober 1867 mit, dass die dortigen Landstände nicht sehr am Bau einer Brücke zwischen Datteln und Olfen interessiert seien. Man möchte dort nicht weiter mit Herrn von Twickel verhandeln, der bekanntlich eine Entschädigung für den eventuellen Verlust seiner Fähr-Gerechtigkeit einfordert.

 

In einer Zuschrift des Landrats von Landsberg vom 26. November 1867 heißt es,

  • dass ein Beschluss des Kreistages nicht gefasst werden kann, bis die bezüglichen Kostenanschläge vorgelegt sind.
  • Eine Zusage für die Zinsübernahme zu 2/3 wird in Aussicht gestellt.
  • Die Kosten für den bereits fertigen Plan des Bau-Inspektors Spannagel sind zu bezahlen und derselbe  dann nach hier einzureichen.
  • Datteln wird durch den Landrat von Recklinghausen gesondert aufgefordert.
  • Über die Begleichung der Spannagel’schen Pläne sollte es noch einigen Streit zwischen den beteiligten Gemeinden geben.
    Spannagels Rechnung belief sich auf 231 Rth. 7 Sgr.

Der frühere Amtmann Strietholt hatte die betroffenen Gemeinden um Anteile zum Kostenanschlag gebeten, ohne ihnen Kopien desselben zukommen zu lassen.
Der Nachfolger Cherouny erwartete, dass eine Einigung über die Kostenanteile erreicht werden würde.

 

Am 21. Januar 1868 schreibt der Landrat dem Referenten Cherouny,

dass die Gemeindevertretung den Beschluss des Kreistages nicht richtig verstanden hat, wenn dieselbe in Aussicht stellt, die Kosten des Planes und Anschlages dann zu tragen, wenn der Bau gesichert sei. (...) Diese Vorlage ist eben nach Beschluss der Kreisstände eine „conditio sine Qua non“.

 

Randvermerk des Amtmanns: O ja! Aber sie ist obstinat.


Die Amtsversammlung von Lüdinghausen hatte bereits am 19. April 1865 beschlossen, sich nicht an den Kosten des Planes zu beteiligen. Es bedurfte eines längeren Meinungsbildungsprozesses, bis auch Lüdinghausen einschwenkte und mit Beschluss vom 24. Februar 1869 seinen Anteil an den Planungskosten in Höhe von 

43 Rth. 9 Sgr. 5 Pfg. zusicherte.

 

Freiherr von Bodelschwingh Plettenberg übermittelte dem Amtmann Cherouny einen Bescheid der Königl. Regierung vom 22.4. 1867, Nr. 523 I, E. betr. seine Immediat-Eingabe vom 20.12. v.J., den Brückenbau über die Lippe betreffend. Gleichzeitig legte er dem Amtmann einen Erlaubnis-Schein zur Ausübung der Jagd für ihn bei. 

 

Diese generöse Geste dürfte dem Amtmann sehr willkommen gewesen sein. 

Landrat von Landsberg teilt dem Amt Olfen mit Verfügung vom 3. August 1867 mit, dass sich die Landstände nun über den Ausbau der Brücke über die Lippe bei Rauschenburg ein Bild machen wollen. 

 

Die Königliche Regierung habe wiederholt auf den Bau einer massiven Brücke gedrungen. Es bedarf eines Kostenanschlages seitens der betreffenden Gemeinde.

 

Auf Anfrage teilt der Amtmann von Werne seinem Kollegen in Olfen seine Erfahrungen beim Bau einer Lippebrücke mit. Der Mangel einer Brücke habe dort den Chaussee-Verkehr stark beeinträchtigt. Auf die Kreise sei nicht unbedingt Verlass, es bleibe nur übrig, dass die zunächst beteiligten Gemeinden Olfen und Datteln sich selbst zum Bauen entschlössen.

 

Der Abgeordnete Windthorst im Preußischen Landtag in Berlin regt eine Petition der beteiligten Gemeinden an, die er vor Ort tatkräftig unterstützen werde. Er bittet Strietholt um Zusendung der Akte, um sich informieren zu können.

Sein persönlicher Rat:

Jedenfalls erfordert die Wichtigkeit der Sache, kein Mittel unversucht zu lassen und die damit verbundene Mühe nicht zu scheuen.

 

Landrat von Reitzenstein, Recklinghausen, teilt unterm 20. Oktober 1867 mit, dass die dortigen Landstände nicht sehr am Bau einer Brücke zwischen Datteln und Olfen interessiert seien. Man möchte dort nicht weiter mit Herrn von Twickel verhandeln, der bekanntlich eine Entschädigung für den eventuellen Verlust seiner Fähr-Gerechtigkeit einfordert.

 

Das Gesuch an den Handelsminister Graf von Itzeplitz

 

Amtmann Cherouny schreibt am 2. Dezember 1868 an seinen Amtskollegen Wiesmann in Datteln:

Lieber College!

Ich teilte Dir unlängst mit, dass von hier aus eine Deputation an unseren Abgeordneten entsendet werden sollte, um für den Lippebrückenbau zu werben.

Dies ist geschehen.

Was Windthorst darauf unterm 27. Oktober resp. und 12. d. M erwidert, bitte ich aus den Anlagen zu ersehen.

Ich habe nun seinem Vorschlag gemäß ein Gesuch an seine Exzellenz, den Herrn Handelsminister Grafen von Itzeplitz entworfen und bitte Dich, dasselbe Deiner gütigen Kritik zu unterwerfen. Mache, ich bitte Dich, ohne Scheu alle Abänderungen, die der Sache förderlich sind und Dir gut scheinen. Ich hoffe, dass die dortigen Vertreter gleichfalls gern bereit sind, dasselbe zu unterschreiben.

Die Verhältnisse von Datteln sind mir weniger bekannt. Solltest Du namentlich die Beleuchtung des Finanzstandes derselben nach Etwas hinzuzufügen haben, so bitte ich Dich, unterlaß das nicht.

Schicke mir das Gesuch baldmöglichst zurück, damit ich es abschreiben lassen kann. Die Reinschrift soll Dir dann baldigst zur Einholung der Unterschriften zugehen.

Nun lieber alter Freund und Bundesgenosse laß Dir die Sache angelegen sein, denn sie ist für uns von sehr großer Wichtigkeit.

                            Mit herzlichem Gruß

                            Dein Freund und College, Cherouny

 

Freund Wiesmann aus Datteln antwortet postwendend:

Du weist, dass mir die Brückenangelegenheit ebenfalls sehr am Herzen liegt und die  Sache muß zustande kommen.
Der Kreistag Recklinghausen wartet auf den Beschluß des Kreises Lüdinghausen, wonach dieser 2/3 Anteil auf sich nimmt, sodann ist Recklinghausen sofort am Zuge, dass fehlende 1/3 zuzusagen. Er geht von 8.000 Rth. Zuschuß des Landes aus.
Zu empfehlen wäre, die Ausführung in Holz zu propagieren.

 

Für die Petition wünscht er [Wiesmann] folgende Punkte hineinzuarbeiten:

  1. Daß die Brücke nicht blos für hier und dort, sondern für weiter liegende Gemeinden große Vorteile habe, dass die weiter liegenden zu einer Beihilfe nicht zu bestimmen, diese ebenfalls wegen der Chausseen in Schulden stehen und die naheliegenden auch derer zu bestehen haben, dass ihnen die Brückengeld-Einnahmen nur einstweilen und mit Widerruf verliehen werden sollen.
  2. Daß Datteln mit Schullasten über 100% Schulsteuer zahle und 20.000 Rth. Schulden habe. Bei Deiner Reise nach Lüdinghausen könntest Du Wormstall mal fragen, ob nicht Lüdinghausen diese unschuldige Petition mitunterschreibe und auch dort mit ihm zu rechnen sei.

Die Petition wurde auch von dem Freiherrn von Bodelschwingh-Plettenberg auf Ansuchen des Amtmanns mitunterzeichnet.

 

Auf die gemeinsame Petition antwortete der Minister für Handel u. Gewerbe u. öffentliche Arbeiten wie folgt:

Berlin, den 2. Februar 1869.
Auf die Vorstellung vom 20. Dezember v.J. erwidere ich Ihnen, dass auf Ihren Antrag
, die projectierte, nicht im Zuge einer Staats-Chaussee liegende Brücke über die Lippe bei Rauschenburg aus Staatsmitteln zu bauen, nicht eingegangen werden kann.
Ebensowenig ist eine Erhöhung der im Betrage von 8.000 Rth. in Aussicht gestellten Bau-Unterstützung zulässig. Dieser Betrag ist im Verhältnis sowohl zu den Kosten des Baues,
als auch zu den bei anderen und kostspieligeren Brückenbauten gewährten Staatsbeihilfen normiert.

 

Noch am 16. Januar 1869 hatten sich die Abgeordneten Windthorst und Hobbeling  gemeinsam beim Minister für die Sache verwendet. Sie sehen die Anregung für weitere Planungen jedoch nicht ungünstig.

Im Folgenden sollen die wichtigsten Punkte aus der Petition vom 20. Dezember 1868 in gedrängter Form wiedergegeben werden.   

  1. Seit mehr als 30 Jahren petitionieren die beiden Gemeinden Olfen und      Datteln.  
  2. In den Jahren 1850 bis 1855 bauten die betreffenden Gemeinden mit einem ganz erheblichem Kostenaufwande die Chaussee von Münster über Senden, Stadt Lüdinghausen, Stadt Olfen, Datteln nach Castrop.
    Die Herstellung dieser Straße entsprach einem dringendem Bedürfnis, eine gute Absatzstraße der guten landwirtschaftlichen Produkte des Münsterlandes nach den gewerblichen Gegenden der Mark und des Bergischen Landes. 
  3. Das Haupthindernis dieser Straße, nämlich die Fährponte des Freiherrn von Twickel, blieb leider bestehen. Weder der Herr von Twickel, noch die Kreise Lüdinghausen und Recklinghausen haben sich bisher für den Bau einer Brücke verstanden.
  4. Schon im Jahre 1858 fertigte der Bau-Inspektor Dykhoff zu Münster einen Anschlag über den Bau einer hölzernen Brücke über die Lippe an.
  5. Am allermeisten aber fürchtet man die Entschädigungs-Ansprüche, welche im Falle des Baues der Brücke seitens des Herrn v. Twickel für den Verlust an Fährgeld erhoben werden würden.
  6. Unter der bis zum Beweis des Gegenteils festzuhaltenden Voraussetzung, dass dem Frh. v. Twickel die ihm zustehende Fährgerechtigkeit nicht in einem außergewöhnlichem Umfange verliehen worden ist, wird demselben aber weder ein Widerspruchsrecht gegen den Bau der Brücke, noch auch ein Anspruch auf Entschädigung zugestanden werden können. Dieser Grundsatz ist wiederholt von den Gerichten und insbesondere vom Obertribunale angenommen worden.
  7. Auch die wiederholten Versuche bei den Kreisständen blieben bisher ohne Erfolg.
  8. So haben denn die Gemeinden für ihre großen Opfer weiter nichts erhalten, als eine unfrequente Straße, die so zu sagen bei der Lippe aufhört.
  9. Das Übersetzen mit der Fährponte resp. dem Personennachen bei Rauschenburg ist stets mit großem Zeitaufwand und bei Eisgang mit ganz bedeutenden Schwierigkeiten verbunden.
  10. Eine ganze Reihe von Unfällen sind in den letzten 10 Jahren vorgekommen.
    Die Post kann häufig tagelang nicht übergesetzt werden.
    Schon mehrmals ist die Leitkette während des Übersetzens bei Hochwasser gebrochen und nur mit Herbeirufung schleuniger Hilfe ist es gelungen, die übersetzenden Fuhrwerke vor dem gänzlichen Umkommen zu bewahren.
    Auch der zwischen Datteln und Lüdinghausen fahrenden Post ist dieses Unglück vor Jahren mal passiert. Auf das Notsignal des Postillons haben aber die zerstreut liegenden Bauern mit aller Not es noch eben fertig gebracht, die Passagiere und Pferde vor dem Tode des Ertrinkens zu bewahren.
  11. Die Gemeinden des Münsterlandes produzieren im enormen Maße an Getreide, Stroh, Heu, Holz, Butter, Vieh, fertige Handwerker-Waren u. dergl.
    Die Gemeinden Olfen produzieren allein an Handwerkswaren für ca. 12.000 Rth. jährlich, und alles dies wird gegen lohnenden Preis über die Lippe nach dem Bergischen gebracht und als Rückfracht Steinkohlen von dort herübergebracht.
  12. Nach Castrop, wo man jetzt eine ganz vorzügliche Kohle fördert, und wo seit
    ca. 3 Jahren eine Güterverladungsstation der Cöln-Mindener Bahn eingerichtet ist, können Frachten hin und Kohlen zurückgebracht werden an einem Tage, während der Transport über Dortmund und zurück niemals unter 2 bis 2 ½ Tagen vollendet werden kann.
    Aber des ungeachtet, zieht man in den Gemeinden Lüdinghausen, Selm, Bork diesen Umweg des gefahrbringenden Überganges bei Rauschenburg vor. 
    (siehe Situationskarte unten)
  13. Wie erheblich danach der Personen-Verkehr auf der Lippe ist, beweist der bedeutende Post-Verkehr in Datteln, wo alltäglich 4 Posten zwischen dort und dem Bahnhof Castrop kursieren, welche monatlich durchschnittlich
    ca. 1.200 - 1.300 Passagiere zur Bahn befördern.
    Gewiß würde sich dieser Verkehr verdoppeln, wenn die Lippe bei der Rauschenburg überbrückt wäre.
    Dagegen zieht sich der Frachtfuhrverkehr so erheblich zurück, dass dem Fährpächter die frühere Pacht von 600 Rth. auf 415 Rth. ermäßigt werden musste.
  14. Ein früher in Olfen in schönster Blüte existierender Wochenmarkt, worauf eine bedeutende Masse Korn umgeschlagen wurde, ging ein, weil der Weitertransport des Getreides an der Lippe so erhebliche Hemmnisse fand und häufig wochenlang gar nicht stattfinden konnte.
    Ebenso ist die Gemeinde Datteln von ihren Nachbargemeinden, welcher so gern und vielfach verkehrt, durch den Lippefluß abgeschnitten.
    Eine Lähmung in allen ihren gewerblichen Verhältnissen hat sich mit der Zeit Geltung verschafft, und ihr völliger Ruin wird unausbleiblich sein, wenn nicht die langersehnte Brücke bei Rauschenburg gebaut wird.
  15. Eine massive Brücke mit Einschluß der Herstellung eines Brückengeld-Erheber-Hauses  kostet nach dem Anschlage des Bau-Inspektors Spannagel 
    ca. 35.000 Rth. Vor diesen Kosten schrecken sowohl die verschuldeten Gemeinden wie die beiderseitigen Kreise zurück, und würde es sich daher empfehlen, statt einer massiven eine hölzerne Brücke mit massiven Landpfeilern zu bauen, welche voraussichtlich für p.p. 22.000 Rth. hergestellt werden kann. Eine solche hölzerne Brücke wird auch völlig genügen, ebenso wohl wie sie bei Lünen, Haltern und Dorsten hinreicht, wo gleichfalls hölzerne Brücken den Übergang über die Lippe bilden.
  16. Die Gesamtsteuerkraft der Olfener Gemeinden beträgt nur p.p. 5.100 Rth.
    An Schulden haben dieselben 12.299 Rth. zu verzinsen.
    Außerdem ist der Bau eines dreiklassigen Schulhauses und die Anstellung einer dritten Lehrerin ein mahnendes Bedürfnis.
    Auch zum Bau einer neuen Kirche haben dieselben bereits 12.000 Rth. an freiwilligen Beiträgen zusammengebracht, da die alte Kirche die Seelenzahl nicht mehr fassen kann.
    Endlich dürfte auf das große Brandunglück Rücksicht zu nehmen sein, welches 1857 die Stadt Olfen heimsuchte. Die Stadt hat ihren Wohlstand damals völlig eingebüßt. Sie wird sich auch erst dann wieder erholen können, wenn für die Hebung des Verkehrs mehr Sorge getragen sein wird.
  17. Die große Bitte an den Staats- und Handelsminister zu Berlin:
    Ew. wollen hochgeneigtst geruhen, den Bau der fraglichen Lippebrücke aus Staatsmitteln zu veranlassen, eventuell aber zu den von beiden unterzeichneten Gemeinden zu übernehmenden Bau den bereits zugesagten Staatszuschuß von 8.000 Rth. verdoppeln oder doch angemessen erhöhen zu wollen. Wir vertrauen (...) und hoffen, dass auch wir bei Ew. gnädigen Beistand finden.

Euer Exzellenz ganz gehorsamste Diener

Unterschriften der Stadt- und Gemeindeverordneten von Olfen;

desgl. von Datteln.


Situationskarte

Ein Aktenvermerk von Amtmann Cherouny vom 12. 2. 1869 hält fest:

Schlentker, der sein Bauführer-Examen bestanden hat, hat bei seiner  Anstellung die Verpflichtung übernommen, Aufträge des Landrates unentgeltlich auszuführen. Die der Gemeinden gegen mäßige Entschädigung.

Der Landrat ist nunmehr vom Kreistag autorisiert, den gen. Schlentker mit der Anfertigung  des Lippebrückenbaues zu beauftragen. So ist die Sache also vorläufig geregelt.

Schlentker ist ein prächtiger junger Mann, der ganz gut versteht, wo uns der Schuh drückt. 

 

Amtmann Cherouny bittet unterm 16. Februar 1869 die Collegen Wiesmann und Hülskötter zur Teilnahme an einer gemeinsamen Sitzung auf der Rauschenburg, wo neben den Planungen auch ein definitiver Beschluss wegen der evt. Entschädigung des Freih. v. Twickel gefasst werden sollte.

 

Datteln wird die zugesagten Anteile sowohl für die Planung, als auch zu den Baukosten der Brücke aufrecht halten. Es hält einen Prozess wg. der Fährgerechtigkeit von Twickel  für überflüssig. 

Nach einer mündlichen Mitteilung des g. Wiesmann ist nicht die geringste Aussicht vorhanden, dass Datteln sich an einem Prozess beteiligen wird. 

 

Ein Hoffnungsschimmer für die Olfener Bevölkerung war  die Öffentliche  Bekanntmachung durch den Polizeidiener Richter am 30. Mai 1869
Sie hatte folgenden Inhalt:

Ich beeile mich mitzuteilen, dass die Kreisstände zu Recklinghausen nicht allein das fehlende 1/3 der Baukosten, sondern auch 1/3 der möglicher Weise an Herrn von Twickel zu zahlende Entschädigung bewilligt haben.
Wir dürfen also jetzt mit Bestimmtheit erwarten, dass die seit vielen Jahren besprochene Lippebrücke gebaut wird; immerhin können damit aber noch 2 - 3 Jahre hin gehen.
gez. Cherouny, Amtmann

In der Amtsversammlung am 16. Februar 1869 hatte Amtmann Cherouny in Sachen der Entschädigungsfrage des Freih. von Twickel im Falle des Baues einer Brücke über die Lippe oberhalb der Fähre die in Sachen der Stadt Wittenberge ./. Fiscus ergangenen Erkenntnisse durch Vorlesung mitgeteilt und dazu bemerkt, dass

auch nach dem Urteile des Abgeordneten Kreisrichters Windthorst zu Werne, dem Herrn von Twickel im Falle des Brückenbaues weder ein Widerspruchs-Rezess gegen den Bau selber, noch ein Entschädigungs-Anspruch zugestanden werden könne.

 

Es sei daher ohne Bedenken der evt. vom Herrn von Twickel anzustrengenden Prozess zu führen und aufzunehmen, und liege es im Interesse des Amtes Olfen zur endlichen Regelung dieser Angelegenheit, sich hierzu bereit zu erklären. Anwesende hielten eine solche Erklärung – Bereitwilligkeit zur Übernahme des Prozesses – für gewagt, wünschten vielmehr, dass sich eventuell auch die Gemeinde Datteln daran beteilige, und sei der Amtmann zu Datteln in diesem Sinne zu ersuchen, eine gemeinschaftliche Sitzung der beiderseitigen Gemeinden resp. Amtsvertretungen zu Rauschenburg anzuberaumen.

Anwesende: Schulze Hagen, Beigeordneter

                  Lackmann, Louis Holz, Höning, Amtmann Cherouny

Nach Aufforderung durch den Landrat vom 26. Februar 1869 zahlten die Gemeinden Olfen-Stadt und –Kirchspiel die offenen Kosten des Spannagel’schen Kostenanschlages in Höhe von

  • 43 Rth. 13 Sgr. 3 Pfg. [Brückenbau?] und
  • 43 Rth. 10  Sgr. 8 Pfg. [Fährhaus?]

an den Communal-Empfänger etwa zu gleichen Teilen. Damit war die leidige Geschichte der Kostenumlegung endlich aus der Welt.

 

Zu der am Samstag, den 3. April 1869 stattfindenden Kreistags-Versammlung im Hause des Posthalters Cremer, hierselbst, erging eine Einladung des Königl. Landrats Freih. von Landsberg in gedruckter Form.

Hinsichtlich des zu erwartenden Brückenbaues ist der Vorlage zu entnehmen:

  •  Ad.  3.: Übernahme der Garantie seitens des Kreises für die Verzinsung der durch den Bau einer Brücke über die Lippe bei Rauschenburg den beteiligten Gemeinden erwachsenen Kosten, evt. Übernahme eines Teils des Baues auf Kosten des Kreises.

  • Nach den von den Gemeinden noch einzureichenden Kosten-Anschlägen bewegen sich die Kosten zwischen 18.000 und 36.000 Thlr. 
    Es ist Aussicht vorhanden, dass der Kreis Recklinghausen 1/3 des Baues der oben erwähnten Garantie übernehmen wird.
    Bei dem Projekt ad. 3 ist davon auszugehen, dass zu dem Brückenbau gleichfalls eine Prämie 8.000 Thlr. und die Erhebung von Brückengeld gewährt werde, bei letzterem kommt ferner in Betracht, dass dem Freih. von Twickel eine Fähr-Gerechtigkeit bei Rauschenburg zusteht.

  • Das Beitragsverhältnis der einzelnen Gemeinden (...) wo solches durch die Kreistags-Beschlüsse vom 15. Juni 1861 und 21. Februar 1867 festgesetzt ist, [wird] auch rücksichtlich dieser Bauten beizubehalten sein.
    Das Nähere ergibt sich aus der Amtlichen Planübersicht.

Amtmann Cherouny drängt auf das Tempo


Am 22. November 1869 bittet er den  Landrat, auf die Bewilligung der Staatsprämie hinwirken zu wollen, damit die wichtige Brücke bald zum Bau komme.

Bauinspektor Baltzer hat in einer Unterredung einen Unternehmer benannt, der großartige Gerätschaften und Rüstungen zum Bau verfügbar hat. Es ist für den Unternehmer von großer Wichtigkeit, wenn er früh genug für alles, namentlich auch für die Steinlieferung sorgen kann.

 

In einem Randvermerk zeigt der Landrat an, dass er im Laufe des kommenden Monats selbst nach Berlin gehen will, um mit dem Herrn Minister Rücksprache aufzunehmen. 

Die beiden Gemeinderäte von Stadt und Kirchspiel Olfen schließen sich dem vom Amtmann eingeschlagenen Weg, mehr Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben, an.

 

Am 28. Februar 1871 wird ein weiteres Gesuch [das wievielte?] auf den Weg gebracht. Empfängerin ist die Königliche Regierung in Münster.

Auszugsweise heißt es da:

Bei hohem Wasserstande und Eis konnte die Post 8 - 14 Tage nicht übergesetzt werden. So blieb unsere Stadt und Gemeinde lange Zeit ohne Postverbindung und der Personen- und Briefe-Verkehr waren vielfach gehemmt. Der Fährmann konnte und wollte nicht überschiffen.

So mussten Transporte mit Kohlen, Victualien und andere zum Lebensunterhalt notwendige Gegenstände mehrere Tage stehen bleiben, ohne übergesetzt werden zu können. Am drückendsten war der Mangel an Kohlen. Unsere Stadt und Gemeinde waren längere Zeit bei der starken Kälte ohne Brennmaterial, was namentlich auch für die ärmere Klasse der Bevölkerung sehr empfindsam sich auswirkte.

Die Bittsteller ersuchen gehorsamst, den Bau der Lippebrücke beschleunigen zu wollen, zumal die Kreisstätte Lüdinghausen und Recklinghausen die zum Bau nötigen Gelder bewilligt und der Staat einen Zuschuß von 8.000 Rth. zugesichert hat.

 

Die Antwort der Regierung lässt dieses mal nicht lange auf sich warten. Sie teilt am 15. März 1871 mit, dass die Vorlage des Projektes zur höheren Genehmigung alsbald erfolgen wird. 

 

Vermutlich gab es Querschüsse von Seiten des Freiherrn von Twickel.

 

In einer erneuten Eingabe an die Regierung in Münster vom 26. Februar 1872 heißt es u.a. wörtlich:

Die jahrelangen Versuche, den Fährbesitzer Freih. von Twickel zum Bau einer Brücke zu gewinnen, scheiterte stets an dessen Eigensinn. Auch eine ihm oft angebotene Entschädigung resp. das Ansinnen, den Gemeinden gegen eine solche den Bau zu überlassen, wurde, obschon er nie einen „titulus onorosus“ nachweisen konnte, zurückgewiesen. Er werde sich in der Sache nicht überreden lassen.



Endlich ein zusagender Bescheid

Der Regierungs-Assessor beim Landratsamt Lüdinghausen teilt am
22. April 1872 mit:

Auf Ew. Wohlgeboren unterm 26. Februar an den Herrn Oberpräsidenten gerichtetes Gesuch in Betreff der Rauschenburger Brücke benachrichtige ich ergebenst, dass in der nächsten Zeit mit dem Verdingen der Brücke und zwar für den Bau oberhalb der Fähre vorgegangen wird.

Empfänger: Wiesmann Datteln, Cherouny Olfen

 

In einer Verfügung des Staatsministeriums in Berlin an die Regierung Münster vom
3. März 1872 wurde die Konzession zum Bau der Lippebrücke bekannt gegeben.

 

Ein halbes Jahr zuvor hatte die Regierung mitgeteilt, dass eine Revision des Tarifes des Überfahrgeldes für die Benutzung der Fähranstalt bis zur Fertigstellung der bei der genannten Ortschaft zu erbauenden 'stehenden Lippebrücke' ausgesetzt  werde.

 

In der Kreistagssitzung vom 16. Mai 1872 wurde der Plan Schlentker akzeptiert.
Der Verding sollte in fünf verschiedenen Zeitungen veröffentlicht werden.
Das Landratsamt Lüdinghausen war für die Verdingung zuständig.

 

Die Pläne über den Bau einer Bahnstrecke zwischen Dortmund und Gronau schienen das Olfener Projekt, wenn nicht scheitern, so doch erneut verzögern  zu können. Hier kam der Freiherr von Droste zu Senden den Olfenern vielleicht unbewusst zu Hilfe, als er im Kreistag (15. 6. 1872) eine Verzögerung der Bahnlinie erreichte.



Ein Zwischenstopp des Kreises
am 4. September 1872 - Der Brückenbau ist z.Zt. nicht ausführbar.

 

Am 25. 10. 1872 lief dem Amtmann Wiesmann die Galle über:

Eine unvollendete Straße (gemeint ist die Kunststraße von Olfen bis Rauschenburg), zu der Olfen 29.000 Rth. geopfert hat, denn anders kann die Münster-Castroper-Chaussee vor Ausführung der Lippebrücke nicht genannt werden, würde auch ferner der einzige und winzige Vorteil für diese kolossalen Opfer sein.

 

Am 11. August 1874 schrieb Amtmann Wiesmann, Datteln, seinem Kollegen in Olfen:

Mit besonderer Befriedigung drang Ende v. Mts. die Kunde hierher (...), dass der Kreistag Lüdinghausen beschlossen habe, nunmehr bald den Bau der Lippebrücke Rauschenburg zu beginnen.

 

Dieses „bald“ überstand mit Sicherheit noch den nächsten Winter, denn am
15. November 1874 forderte der Landrat von Wedel [Haus Sandfort] einen Bericht darüber an, wie viele Fußgänger pp. täglich die Fährstelle passieren.

 

Hier die statistischen Zahlen:

  • Fußgänger    tägl.   45 Mann
  •  Fuhrwerke      „      20 Stück
  • Kutschen         „         5     „
  • Posten             „         4     „
  • Vieh                  „         2     „   


Im Kreistagsbeschluss vom 21. November 1874 setzt sich Freih. von Nagel für die Vertagung des Brückenbaues ein; zuerst soll mit dem Freih. von Twickel verhandelt werden, um unnötige Kosten zu vermeiden.

 

Der Abgeordnete Westrup, Olfen, wies darauf hin, dass die Gemeinde Olfen neben den bereits übernommenen Verpflichtungen keine außerordentlichen Beiträge zum Brückenbau leisten könne.

 

In einem Schreiben des Freih. von Twickel an das Landratsamt Lüdinghausen vom 9. März 1875 erklärte sich dieser bereit einzulenken, falls man ihm eine Abstandssumme von 10.000 Thalern und eine solche Befreiung [vom Brückengeld], wie sie dem Hause Sandfort zustehe. In dem Falle würde er die Fährgerechtigkeit dem Kreis Lüdinghausen überlassen.

 

Mit der Bildung einer Brückenbau-Kommission am 10. Juli 1875 nahm die Sache allmählich Konturen an.

  • Der Kreis Lüdinghausen stellte drei Vertreter, der Kreis Recklinghausen derer zwei.
  • Beschlossen wurde, dass die Kommission für den Verding zuständig sein sollte.

Da man auf die von Twickel’schen Forderungen nicht eingegangen war, drohte er am 21. Juli 1875 dem Kreis rechtliche Schritte an. Die Reaktion des Landrats war die Abverfügung 'z.d.A.'

 


Die wichtigsten Voraussetzungen werden geschaffen: 

  • Die beantragte Baugenehmigung ging am 9. August 1875 bei der Baukommission ein.
  • Der beim Kreis angestellte Baumeister Schlentker bot sich an, die Spezialaufsicht beim Brückenbau an der Rauschenburg für 3 – 3½ Thaler Diäten zu übernehmen.
  • Amtmann Cherouny hatte ebenfalls Interesse an einer Nebentätigkeit.
    Am 19. Oktober 1875 beantragt er beim Landrat von Wedel, ihm die Rendantur für den Brückenbau zu übertragen. Er verweist darauf, dass die Niederlassung der Baufirma wahrscheinlich in Olfen sei.
  • Die Sitzung der Baukommission findet am 30. Oktober 1875 auf Haus Sandfort statt. 
  • Der Zuschlag für die Bauausführung geht für 87.953 Mark an den Maurermeister Johann Körber in Haltern. 
  • Man geht, in Abänderung des ursprünglichen Planes, von der angenommenen Brückenbreite von 18 Fuß aus. 
  • Der Bauer Braukmann in Datteln, stellt den Liegeplatz für Baumaterial unentgeltlich zur Verfügung.
  • Bau-Inspektor Baltzer, Recklinghausen, erhält für die Oberleitung 1.200 Mark, Schlentker für die Spezialleitung 1.500 Mark. 
  • Rendant wird Amtmann Hülskötter, Lüdinghausen, und nicht Amtmann Cherouny, Olfen, wie am 19. 10. d.J. beantragt.
    Die Vergütung für den Rendanten beträgt 300 Mark.
  • Der Staatsminister in Berlin spricht sich am 16. Januar 1876 für die Beibehaltung der ursprünglichen Fahrbahnbreite von 24 Fuß aus, zumal 24.000 Mark aus dem Chaussee-Neubau-Fonds zugesagt sind.

  


Kostenanschlag für den Brückenbau Rauschenburg

 

           1. Erdarbeiten                                  17.878 Mark (gerundet)

           2. Herstellung der Dämme                  4.923  „

           3. Maurer- u. Steinhauerarbeiten      22.193  „

           4. Maurermaterialien                        38.643  „

           5. Pflasterarbeiten                              1.890  „

           6. Schmiedearbeiten                          6.700  „

           7. Chaussierungsarbeiten                   6.744  „

           8. Zimmerarbeiten                             3.960  „

           9. Insgemein (Sonstiges)                  12.099  „

                in Summa:                              115.000 Mark

Am 22. Februar 1876 kam die lang herbeigesehnte Nachricht aus der Feder des Königlichen Landrats, Graf von Wedel, die da lautete:

Euer  Wohlgeboren ersuche ich, der Bürgerschaft von Olfen mitteilen zu wollen, dass die dem Brückenbauprojekte bei Rauschenburg bisher entgegenstehenden Hindernisse nunmehr als beseitigt zu betrachten sind, und dass mit dem Beginn der Arbeiten jetzt unverzüglich vorgegangen werden soll.

 

Mit Verfügung vom 22. Mai 1876 beauftragte die Münstersche Regierung den Amtmann Cherouny, die Planunterlagen

in dem Olfener Gemeindebezirke während einer ortsüblich bekannt zu machenden 14tägigen Zeit zu Jedermanns Einsicht offen legen zu lassen.

 

Die Verfügung stellt fest:

  • Bauunternehmer sind nicht die Bau-Inspektion Recklinghausen, sondern die Kreise Lüdinghausen und Recklinghausen, vertreten durch die Brückenbau-Commission.

  • Aus den Unterlagen ist zu entnehmen, dass der Fähr-Pächter Joseph Tenkhoff eine Entschädigung für den Lagerplatz von 600 Mark erhält.

Das Landratsamt Lüdinghausen erlässt am 24. Juli 1876 eine Rundverfügung an alle Ortsbehörden den Kreises Lüdinghausen, in welcher den Städten und Gemeinden die voraussichtlichen Baukostenbeiträge [Umlage] mitgeteilt werden.

Eine Wahrscheinlichkeits-Berechnung der Baukosten weist die Kostenanteile sämtlicher, dem Kreis Lüdinghausen zugehörigen Gemeinden nach.

Am 8. November 1876 geht vom Provinzialverband Münster aus dem Chaussee-

Neubau-Fonds die erste Abschlagszahlung von 12.000 Mark ein.

Etwa zwei Wochen später stellt die Baukommission beim Kreis Recklinghausen den Antrag auf eine erste Abschlagszahlung.

 

Die erforderlichen Natursteine für den Brückenbau wurden zur Bahnstation Castrop angeliefert, von dort mussten sie mit Pferdewagen bis zur Baustelle gefahren werden.

Der Fuhrunternehmer machte für die Strecke Castrop – Rauschenburg

3 Pferdestunden geltend.

Die eingerüstete Kanalüberführung über die Lippe um 1896 - die damalige Brückenbautechnik
Die eingerüstete Kanalüberführung über die Lippe um 1896 - die damalige Brückenbautechnik

Die Endabrechnung für den Brückenbau belief sich per 28. Februar 1879 auf  126.887,72 Mark.

 

Über eine offizielle Einweihung der schönen Rundbogenbrücke ist den Akten nichts zu entnehmen. Zum größten Bedauern der Olfener Bevölkerung sollte sie nicht als „Jahrhundertbauwerk“ in die Geschichte eingehen. 

Rechts die Brücke über die Lippe - links das Restaurant Rauschenburg
Rechts die Brücke über die Lippe - links das Restaurant Rauschenburg

In den Wirren der letzten Kriegswochen wurde sie im März 1945 von deutschen Pionieren gesprengt, um den Vormarsch der Amerikaner ins Ruhrgebiet aufzuhalten. Wie wir wissen, mit wenig Erfolg. Zu leiden hatten darunter die Bewohner diesseits und jenseits des Flusses.

 

In Erinnerung an das vergangene Jahrhundert wurde, aus der Not geboren, die gute alte Fähre wieder installiert. Sie tat ihre Dienste, bis 1948 eine neue, wenig schöne Betonkonstruktion der Rauschenburger Brücke den Verkehr wieder aufnehmen konnte.

 

Not-Fähre mit Milchfuhrunternehmer W. Pieper mit dem Lanz-Trecker und 2 geladenen Anhängern. Im Hintergrund entsteht die neue Lippebrücke.
Not-Fähre mit Milchfuhrunternehmer W. Pieper mit dem Lanz-Trecker und 2 geladenen Anhängern. Im Hintergrund entsteht die neue Lippebrücke.