von Ludwig Pago
Fährmann Anton Schulte
In einem Bericht an den damaligen Bürgermeister Blumenröter zu Rönhagen vom
21. Dezember 1816 ist einiges über die dortige Fähr-Anstalt nachzulesen.
Der Fährmann Anton Schulte, der für die Bedienung der Lippefähre und des Nachen verantwortlich war, war für die Anpachtung wie folgt abgesichert:
Er zahlte an Pacht 37 Stück Pistolen in Gold.
1835 betrug die Pacht 175 Rth.
Er kassierte Zoll für die Schifffahrt auf der Lippe und Passagegeld für die Benutzung der Fähre bzw. des Nachen.
Beschwerden über den Fährmann
Der Fährmann Schulte sei sehr alt, lasse die Reisenden oft lange warten.
Dem Fährmann Schulte wird bei einer Strafe von fünf Thalern aufgegeben,
binnen 14 Tagen sämtliche Fährgerätschaften in solchen tauglichen Stand zu setzen, dass die Überfahrt mit Sicherheit geschehen könne und kein Zerreißen der Kette zu befürchten sei. Er soll
sich mit seinem Knecht darüber ausweisen, dass er der Stromschifffahrt kundig sei.
Wegen wiederholter Klagen über den Fährbetrieb des Fährmannes Schulte sei
diesem die 'Hohe Verordnung vom 22. August 1822' zur Kenntnis zu bringen, nicht allein um den begründeten Klagen des Publikums abzuhelfen, sondern um möglichen Unglücksfällen, welche wegen
des heftigen, durch die nahe unterhalb liegenden Klippen, verursachten Stromes, beim Zerreißen der Kette oder Schifffahrtsunkunde, sich leicht ereignen können, vorzubeugen.
Beschwerde
Eingabe des Freiherrn von Bodelschwingh-Plettenberg vom 16. März 1824
Freiherr von Bodelschwingh-Plettenberg, Besitzer des Hauses Sandfort, erstattet Anzeige,
dass die Rauschenburger Fähre in dem traurigsten Zustande ist, welche für die Reisenden leicht lebensgefährlich werden kann.
Dem Vorfall liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Statt eines ordentlichen Kabeltaues hat der Fährmann eine schwache Kette angebracht, die bei jeder Gelegenheit springt.
Der Leutnant Bölling [vom Hause Sandfort] sei neulich auf die Felsen getrieben, und nur durch Zufall mit seinem Pferde gerettet worden.
Bei meinem Hinüberwarten [Warten auf die Fähre!] brach zweimal die Kette und ich wagte nicht, herüber zu fahren, sondern ließ mich mit einem Nachen übersetzen. Mein Kutscher mit vier Pferden musste sich den Gefahren preisgeben, um herüber zu kommen.
Die Anzeige war mit der dringenden Bitte um Abhilfe versehen.
Fährunfall
an der Rauschenburg am 27. Januar 1830
Aus einem Ersuchen um Amtshilfe des Amtmanns Hülskötter an den Bürgermeister Wormstall in Lüdinghausen kann man das dramatische Geschehen des 27. Januar 1830 recht gut rekonstruieren.
Beim Überschiffen des Postwagens über die Lippe an der Rauschenburger Fähre ereignete sich das Unglück.
Wegen des Eisganges brach die Fährkette, wodurch der Postillon mit Pferden und Wagen in eine große Gefahr geriet. Durch das anhaltende Notsignal des Postillons wurden die in der Nähe wohnenden
Gebrüder Heinrich u. Joseph Tenkhoff auf die Gefährlichkeit der Situation aufmerksam gemacht. Nur durch ihre rasche und entschlossene Hilfe konnte die stromabwärts treibende Fähre an das
rettende Ufer bugsiert werden.
Der Amtmann wörtlich:
Wie ich nachträglich näher erfahren, sollen die Gebrüder Tenkhoff bei dieser alle Anerkennung verdienenden Tat ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt haben und würden somit eine Prämie – welche sie selbst nicht beantragten - verdient haben. Euer Wohlgeboren ersuche ich daher ergebenst, den Postillon bei Cremer über die Umstände seiner Rettung durch die g. Tenkhoff gefälligst zu hören, um dadurch den Antrag auf Belohnung zu gründen, und mir die desfällige Verhandlung möglichst bald zugehen zu lassen.
Die Aussage des Postillons bestärkte den Amtmann, das Verfahren einer amtlichen Belobigung [wenn auch mit ziemlicher Verzögerung] in Gang zu setzen. Durch Verfügung der Regierung vom
1. April 1850 wurden die Gebrüder Tenkhoff mit
je 5 Reichstalern belohnt.
Die Familie Ferdinand Tenkhoff hält heute noch eine Urkunde des Königs von Preußen vom 15. August 1898 in Ehren, durch welche dem Josef Tenkhoff die Rettungs-Medaille mit dem Bande verliehen
worden ist.
Das Datum macht stutzig. Die Frage bleibt offen, warum erst im vorgeschrittenen Alter die Verleihung erfolgte.
Fährmeister Joseph Tenkhoff
Das Pachtverhältnis an der Fähr-Anstalt
Die Fähranstalt zu Rauschenburg, die seither an Friedrich Schulte verpachtet war, ist in 1857 auf 6 Jahre dem Olfener Joseph Tenkhoff zugeschlagen worden. Nach
den strengen preußischen Verwaltungsordnungen hat der Fährmann ein Examen als Fährmeister nachzuweisen.
Der alte Schulte hatte sich dieser Prozedur noch mit Erfolg unterzogen.
Tenkhoff wurde wiederholt erinnert, dass er diese Voraussetzung erfüllen müsse.
Erst am 24. August 1858 konnte er diesen Nachweis erbringen.
Beschwerden
Es mehrten sich die Beschwerden, dass Passagiere trotz lauten Rufens mit großer Verspätung übergeholt wurden. Als Bespiel ist hier die Beschwerde des Colon Brüse aus Ahsen vom 11. Februar 1863 zu nennen, der angab, dass er trotz wiederholtem lautem Rufen ca. 35 Minuten hätte warten müssen, bevor der Fährpächter Tenkhoff ihn auf das andere Ufer übersetzte.
Bei der Anhörung durch den Amtmann wehrte sich Tenkhoff mit der Behauptung, keinen Ruf vernommen zu haben.
Mit Schreiben des Amtmanns Strietholt vom 18. Mai 1863 wurde der Erbschenk Freih. von Twickel zu Havixbeck aufgefordert, an der Fähre baldigst für die Anbringung je einer Glocke an beiden Ufern zu sorgen.
In einem Bericht des Amtmanns an den Landrat zu Lüdinghausen vom 3. August 1863 schlug der Amtmann mit Rücksicht auf den zunehmenden Verkehr zur Eisenbahn über die neugeschaffene Castroper Straße, sowie zum Güterverladungsplatz in Castrop, die Einführung eines 10 Minuten Taktes für die Überfahrt vor, welcher durch vorheriges Anschlagen einer aufzuhängenden Glocke anzudeuten sei.
Unregelmäßigkeiten im Fährbetrieb
Unregelmäßigkeiten im Fährbetrieb führten dazu, dass der Königl. Landrat mit Verfügung vom 12. Januar 1876 dem Fährpächter Joseph Tenkhoff die Order erteilte, bei hohem
Wasserstand und Eisgang stets zwei Mann beim Übersetzen in der Ponte bereit zu halten. Bei Zuwiderhandlung wurde ihm eine Strafe von 6 – 15 Mark angedroht.
Der Schuster Joseph Wilming beschwerte sich beim Amtmann Cherouny am
23. April 1877 darüber, dass er gestern zwischen 7 und 8 Uhr, als er, Comparent, die Werkbrücke daselbst passiert habe, von dem gen. Tenkhoff zur Zahlung des
Fährgeldes aufgefordert worden sei. Tenkhoff habe ihm bei seiner Verweigerung vor die Brust gestoßen und die Worte gegen ihn ausgestoßen: „Männeken ick will die wull kriegen.“ 14
Tage später habe er ihm die Übersetzung verweigert und ihm geraten, die gen. Brücke zu passieren.
Ein anderer Vorgang ist deshalb erwähnenswert, weil er ein Schlaglicht auf den bäuerlichen Landabsatz wirft. Der Kötter Buxkämper aus Sülsen kam mit dem Gesetz in Konflikt, als er sich weigerte, bei seiner Rücktour aus dem 'Kölschland' die Fährtaxe zu bezahlen. Beim ersten Übersetzen mit seinem Doppelgespann hatte er Getreide geladen, das er auf dem Wochenmarkt in Ickern absetzen wollte. Auf der Heimfahrt hatte er Brennmaterial (Kohlen) geladen, wofür er sich dann taxfrei glaubte. Der Fährmeister ließ das nicht durchgehen und brachte das Verhalten zur Anzeige. Es stellte sich heraus, dass er die Kohlen für fremde Rechnung transportiert hatte, wofür es keine Befreiung gab. Mit der Zahlung des normalen Tarifes wurde der Streit beigelegt.
Brückengeld-Hebestelle
Am 12. 12. 1877 wird von Berlin der vorläufige Brückengeld-Tarif genehmigt.
Die Staffelung entspricht dem Fährtarif von 1851, jedoch fallen einige Entgelte geringer aus.
Die Brückengeld-Hebestelle wurde an den bisherigen Fährmeister Joseph Tenkhoff vergeben.
Im April 1879 ging beim Amtmann eine Beschwerde ein, dass Tenkhoff die Barriere nachts nicht verschlossen hielt. Der beauftragte Gendarm Hogrefe ging
der Sache um Mitternacht nach und fand die Schranke unverschlossen. Tenkhoff wurde unverzüglich geweckt und an seine Pflicht erinnert.