Verfasser Ludwig Pago
Die 'geographische' Lippe
Nach Hellmann zieht sich die Lippe wie eine Hauptschlagader Westfalens in westlicher Richtung von der Quelle bei Lippspringe über Lippstadt, Hamm, Lünen, Haltern, Dorsten in zahlreichen Windungen
bis Wesel, wo sie sich mit dem Rheinstrom vereinigt.
Bei einer Länge des Lippelaufes von 238 Kilometer beträgt die Luftlinie von der Quelle bis zur Mündung nur knapp 160 Kilometer. Der geringe Höhenunterschied zwischen Lippstadt und Wesel
beträgt etwas mehr als 50 Meter.
Die 'politische Lippe'
Der Flusslauf der Lippe bildete in der vorpreußischen Zeit über Jahrhunderte hinweg eine natürliche Grenze zwischen den geistlichen Fürstbistümern Kur-Köln und Münster. Noch heute kennen Alt-Olfener den Begriff 'Kölschland' für das Gebiet jenseits der Lippe.
Hier trafen die gegenseitigen Interessen der Abgrenzung und Verteidigung der jeweiligen Territorialherren aufeinander; hier berührten sich aber auch gemeinsame Interessen der landübergreifenden
Handelsstraßen ebenso wie die Nutzung der Schifffahrt auf dem Lippefluss.
Es ist wohl unzweifelhaft, dass eine Brücke bei der Rauschenburg schon lange vor 1322 bestanden hat und dass die Rauschenburg diesem Übergange ihre Entstehung verdankt.
Im Jahre
1322 schlossen die Bischöfe von Köln und Münster (Ludwig II. von Hessen, 1310-1357) einen Vertrag, dem zufolge jeder Landesfürst zwei Brücken über die Lippe haben sollte:
Köln zu Hovestadt und Dorsten, Münster zu Haltern und zu Rauschenburg nahe Olfen. Jeder sollte seine Brücken befestigen und bewahren und mit Wächtern versehen.
Die Brückenwächter sollten beiden Herren den Eid der Treue leisten. Noch in den Jahren 1444 und 1498 wurde dieser Vertrag von den damaligen Landesherren von
neuem bestätigt.
Über mehrere Vorbesitzer kam das Gut Rauschenburg am 14. November 1783 an den Freiherrn von Brabeck. Über die Familie von Brabeck soll es dann im Rahmen einer Erbverbrüderung um 1850 auf den
Freiherrn von Twickel übergegangen sein.
Ein bedeutsamer Handelsweg aus dem Raum Köln-Wuppertal überquerte an der Rauschenburg die Lippe und verlief über Olfen in Richtung Münster. Dieser Handelsweg wird in der Literatur
mehrfach als via regia oder gemeiner Hell- oder Königsweg bezeichnet.
Anmerkung: Königs- und Hellwege waren im Unterschied zu Marken- und Kirchwegen öffentliche Wege. Sie hatten die Vorschrift für eine Mindestbreite, dat ein ritter kune ride met sinen vullen harnische und vöre eine galane för sick twers up dem perde, die sall sein 16 voet lank, unbesperret un unbekümmert in dem wege.
Später, im 19. Jahrhundert sollte dieser historische Weg als
'Münster-Castroper Chaussee'
die anliegenden Gemeinden noch über Jahre in Atem halten.
Die 'wirtschaftliche' Lippe
Für das Jahr 1811 sind an der Rauschenburg folgende Passagen nachgewiesen:
47 Nachen, 51 Holzflösse, 24 Renachen, 45 Flieger.
Ein Aufschwung der Lippeschifffahrt setzte ein, als nach dem Wiener Kongress 1815 Westfalen zu Preußen kam und die Lippe der preußischen Staatsgewalt unterstellt wurde. Auf Veranlassung der
Regierung wurde in Wesel ein 'Handlungsvorstand' gegründet, der sich der brachliegenden Flussschifffahrt annahm.
Lippeausbau
Zum Ausbau des Lippeflusses stellte die Preußische Staatsregierung am 6. Juni 1819 die stattliche Summe von 217.789 Reichstaler zur Verfügung. Zehn Jahre später konnte das erste
Schiff von Wesel bis Lippstadt den Verkehr aufnehmen.
Transport auf der Lippe
Theodor Tenkhoff, ehemals Pächter des Gutshofes Rauschenburg, beschreibt die Flussschifffahrt folgendermaßen:
Die Frachtschiffe waren große und flache Kähne (Ponten), die die Frachten von Wesel nach Dorsten,
Haltern, [Olfen], Lünen, Unna bis nach Lippstadt transportierten. Transportiert wurden Waren des täglichen Bedarfs.
Flußaufwärts wurden die Schiffe mit Pferden über einen sogen. Leinpfad gezogen. Die Anlieger mussten Klapptore anbringen und vom Tor zur Lippe musste eine Schleite über Pfähle angebracht werden,
damit das Schlepptau über die Schleite bis zur Lippe rutschte. Flußabwärts ging es von selber oder es wurden Segel gespannt.